Bigmurdock schrieb:
Ich hab zwar zugegeben der Fahrer zu sein (weil eindeutig erkennbar), allerdings habe ich Widerspruch eingelegt, weil auf dem Foto ein anderes Auto neben mir zu sehen war.
Fehler. Zugeben sollte man "erstmal" nichts, und dann erstmal Ruhe bewahren und DIE Leute kommen lassen. Weil allein durch die Zusendung des Anhörungsbogens, auf den mann
nicht reagiert, wird die Verjährung auch
nicht unterbrochen!!! Ihr seid immer zu ungeduldig/voreilig in solchen Sachen. :wink:
Beispiel 1:
Verjährungsunterbrechende Maßnahme gegen „Unbekannt“
OWiG § 33 Absatz 4
Zur Unterbrechung der Verjährung nach § 33 Nr. 2 OWiG gegenüber dem Betroffenen durch Anordnung einer Vernehmung in einem
zunächst gegen Unbekannt geführten Verfahren.
OLG Hamm, Beschluß vom 27. 10. 1998 - 2 Ss OWi 1124/98
Zum Sachverhalt:
Das Amtsgericht hat den Betroffenen im angefochtenen Beschluß wegen einer am 6. 11. 1997 auf der BAB A 45 begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung - Überschreitung der durch Zeichen 274 StVO festgesetzten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 52 km/h - zu einer Geldbuße von 390 DM verurteilt und außerdem ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt. Hiergegen wendet der Betroffene sich mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er - wie auch schon beim AG - geltend macht, es sei Verjährung eingetreten. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Verfahren wegen Verjährung einzustellen. Dem ist das OLG gefolgt.
Aus den Gründen:
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt - entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft - gem. § 46 OWiG, § 206a Absatz 1 StPO zur Einstellung des Verfahrens wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Einstellungsantrag wie folgt begründet: „
Nach § 26 Absatz 3 StVG verjährt eine Verkehrsordnungswidrigkeit (§ 24 StVG), solange ein Bußgeldbescheid nicht erlassen ist, innerhalb einer Frist von drei Monaten, beginnend mit der Tathandlung (§ 31 Absatz 4 OWiG). Verjährungsunterbrechende Handlungen wirken nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Handlung bezieht (§ 33 IV OWiG).
Das vorliegende Verfahren richtete sich zwar zunächst gegen den Rechtsbeschwerdeführer (RBf.) dem wegen der am 6. 11. 1997 begangenen Tat unter dem Datum des 19. 11. 1997 ein Anhörungsbogen zugesandt wurde. Es wurde jedoch - soweit es ihn betraf - am 12. 1. 1998 eingestellt, da die Verwaltungsbehörde nicht mehr von seiner Täterschaft ausging. Verjährung trat am 19. 2. 1998 ein.
Die am 19. 1. 1998 getroffene Anordnung der richterlichen Vernehmung des RBf. als Zeuge und ihre Durchführung waren nicht geeignet, die Verjährung zu unterbrechen, da sich diese Maßnahme nicht (mehr) gegen den RBf. richtete. Sie war vielmehr darauf gerichtet, den der Verwaltungsbehörde
unbekannten Täter zu ermitteln (Senat, Beschl. v. 13. 2. 1997 - 2 Ss OWi 1148/96).
Die in dem angefochtenen Beschluß zitierte Kommentierung (Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 33 Rdnr. 18) gibt eine von dem BayObLG in einer Entscheidung aus dem Jahre 1989 vertretenen Auffassung wieder, die in der späteren Rechtsprechung nicht mehr aufrechterhalten worden ist. Auf eine spätere Vorlage dieser Rechtsfrage durch dasselbe Gericht hat der BGH in dem vorbezeichneten Beschluß entschieden, dass der vorstehend dargelegte Grundsatz selbst dann gilt, wenn sich bei den Akten ein zur Identifizierung des Täters geeignetes Beweisfoto findet.“
Dem tritt der Senat bei und weist zusätzlich nur darauf hin, dass sich die Anordnung einer Vernehmung,
wenn sie die Verjährung nach § 33 Absatz 1 Nr. 2 OWiG unterbrechen soll, gem. § 33 Absatz 4 OWiG auf eine konkrete Person beziehen muß (Göhler, § 33 Rdnr. 55 m.w.Nachw. aus der Rspr.). Die Ermittlung in einem Verfahren gegen Unbekannt wirkt nach inzwischen einhelliger Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht gegen den (späteren) Betroffenen. Damit konnte, worauf die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hinweist, die am 19. 1. 1998 im Verfahren gegen Unbekannt angeordnete Vernehmung des Betroffenen als Geschäftsführer der Firma, die Kfz-Halter war, die gegen den Betroffenen laufende Verfolgungsverjährung nicht unterbrechen. Zuvor im Verfahren gegen den Betroffenen ggf. vorgenommene Unterbrechungshandlungen wirkten , nachdem das Verfahren gegen den Betroffenen am 12. 1. 1998 eingestellt und damit beendet war, auch nicht wieder auf.
Verjährungsunterbrechung durch an den Halter gerichteten Anhörungs-/ Zeugenfragebogen
OWiG §§ 33 Absatz 1 Nr. 1, 55
Die Anordnung der Bußgeldstelle, dem lediglich
anhand des Kennzeichens ermittelten Halter eines Kfz einen Anhörungsbogen zu übersenden, nach dessen Inhalt es von der Einlassung des Halters abhängig gemacht wird, ob er sich als Betroffener oder Zeuge (für die Ermittlung des Fahrzeugführers) äußern will,
unterbricht die Verfolgungsverjährung jedenfalls dann nicht, wenn der Halter nicht einräumt, der verantwortliche Fahrzeugführer gewesen zu sein (in Fortführung von OLG Hamburg, Beschluß vom 19. 8. 1998 - I - 93/98 = 1 Ss 106/98 OWi).
OLG Hamburg, Beschluß vom 9. 10. 1998 - II-148/98 = 2 Ss 141/98 OWi
:wink: :top:
Beispiel 2:
Zum Sachverhalt:
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 100 DM wegen fahrlässiger Nichtbeachtung des Rotlichts einer LZA festgesetzt. Mit Beschluß des Einzelrichters vom 8. 10. 1998 ist die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zugelassen und die Sache dem mit drei Richtern besetzten Bußgeldsenat zur weiteren Entscheidung übertragen worden (§ 80a Absatz 3 OWiG). Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen führte zur Einstellung des Verfahrens wegen Verjährung.
Aus den Gründen:
Das Verfahren war einzustellen, weil die Verfolgung der dem Betroffenen angelasteten Ordnungswidrigkeit verjährt ist (§ 31 Absatz 1 OWiG). Nach dem hier in Rede stehenden Vorfall vom 15. 1. 1998 ist bis zum Erlaß des Bußgeldbescheids am 30. 4. 1998 die dreimonatige Verjährungsfrist nach § 26 Absatz 3 i.V. mit § 24 StVG abgelaufen.
Eine Unterbrechung der Verjährung ist nicht eingetreten. Zwar hat die Bußgeldstelle dem Betroffenen unter dem 10. 2. 1998 ein als „Anhörung im Bußgeldverfahren gem. § 55 OwiG“ überschriebenes Schreiben übersandt, doch hat dieses die Verjährung nicht nach § 33 Absatz 1 Nr. 1 OWiG wirksam unterbrechen können.
Nach dieser Vorschrift wird die Verjährung unter anderem durch die Bekanntgabe an den Betroffenen, dass gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet sei, ferner durch die Anordnung dieser Bekanntgabe unterbrochen. Die Unterbrechung wirkt allerdings nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Unterbrechungshandlung bezieht (§ 33 Absatz 4 OWiG). Daraus folgt, dass eine Unterbrechung nur durch solche Untersuchungshandlungen zu bewirken ist, die sich gegen eine bestimmte Person richten (OLG Hamm, NZV 1998, 340). Handlungen, die demgegenüber zum Ziel haben, den noch unbekannten Tatverdächtigen zu ermitteln, erfüllen diese Voraussetzung nicht, solange nicht bereits Merkmale bekannt und aktenkundig sind, die den Täter individuell bestimmen (BGHSt 24, 321, 324 = NJW 1972, 914ff. m.w. Nachw.). Dazu reicht es nicht aus, dass sich lediglich ein Lichtbild des Täters in den Akten befindet, vielmehr müssen die Personalien desjenigen, der als tatverdächtig gilt, bereits aktenkundig sein. Aus der Bekanntgabe i.S. von § 33 Absatz 1 Nr. 1 OWiG muß deshalb für den Adressaten unmißverständlich hervorgehen, dass die Ermittlungen gegen ihn als Betroffenen geführt werden (OLG Hamburg, Beschl. v. 19. 8. 1998 - I-93/98 = 1 Ss 106/98 OWi m.w. Nachw.; Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 33 Rdnr. 10). Dem genügt das hier versandte Anhörungsschreiben nicht.
Die dem Betroffenen angelastete Ordnungswidrigkeit war durch eine automatische Anlage festgestellt und fotografisch festgehalten worden. Der Betroffene war danach lediglich als Halter des betreffenden Fahrzeugs ermittelt und angeschrieben worden. Inhalt und Gestaltung des Formular-Anhörungsschreibens lassen offen, ob der angeschriebene Fahrzeughalter als Betroffener oder lediglich als Zeuge zur Ermittlung des betroffenen Fahrzeugführers in Frage kommen sollte. Einerseits deuten die Überschrift „Anhörung im Bußgeldverfahren gem. § 55 OwiG“, ferner die in dem Schreiben enthaltene Belehrung über Rechte des Betroffenen im Ordnungswidrigkeitenverfahren auf eine Anhörung als Betroffenen hin.
Der eigentliche Vorwurf wird mit den Worten „Sehr geehrte(r) Verkehrsteilnehmer(in), der/ dem Betroffenen wird vorgeworfen (folgt Anklagesatz) …: Sie haben (folgt Sachverhalt) …“ beschrieben. Die gewählte Formulierung läßt noch offen, gegen welchen betroffenen Verkehrsteilnehmer/ Fahrzeugführer der mit der persönlichen Anrede „Sie haben …“ verknüpfte Tatvorwurf am Ende erhoben werden soll. Dazu macht der letzte Absatz auf S. 1 des Schreibens deutlich, dass es letztlich von der Einlassung des Angeschriebenen abhängig gemacht wird, ob er im weiteren als Zeuge oder Betroffenen fungieren werde. Dieser Absatz lautet:
„Wenn Sie selbst für diese Ordnungswidrigkeit(en) verantwortlich sind, wird Ihnen hiermit gem. § 55 OWiG Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Woche gegeben; sind Sie nicht verantwortlich, teilen Sie die verantwortliche Person bitte ebenfalls innerhalb einer Woche mit. Beachten Sie hierzu auch die Hinweise auf der Rückseite.“ Wie gerichtsbekannt ist, enthalten diese Hinweise auf der Rückseite auch Belehrungen über Zeugenpflichten und Auskunftsverweigerungsrechte des Zeugen. Letztlich macht die gewählte Formulierung deutlich, dass der angeschriebene Fahrzeughalter es durch seine Darstellung in der Hand habe, ob sich im weiteren Verfahren ein Tatverdacht gegen ihn richte oder er nur als Zeuge für die Ermittlung des unbekannten Fahrzeugführers benötigt werde. Unter diese Bedingung wird auch die Anhörung nach § 55 OWiG gestellt, womit sich die auf den ersten Blick eindeutige Überschrift des Anschreibens relativiert.
Das Anschreiben kann von einem Adressaten mithin dahin verstanden werden, dass die Ordnungsbehörde allein aus der Haltereigenschaft noch nicht einmal einen hinreichend konkreten Anfangsverdacht ableiten will, der Fahrzeughalter sei auch der Fahrzeugführer bei Begehung der Ordnungswidrigkeit gewesen. Denn bestünde ein solcher Anfangsverdacht, so könnte allein die Angabe des Halters, jemand anderes sei zum fraglichen Zeitpunkt gefahren, den Tatverdächtigen noch nicht zum Zeugen werden lassen, vielmehr läge dann lediglich eine bestreitende Einlassung des Betroffenen vor. Ein eindeutiger Hinweis darauf, dass der Angeschriebene als Halter des festgestellten Fahrzeugs losgelöst von seiner Sachverhaltsschilderung tatverdächtig sei und das weitere Verfahren deshalb auch mit dem Ziel geführt werde, ihn - als jedenfalls einen Tatverdächtigen - der Tat zu überführen, fehlt (so auch OLG Hamburg, Beschl. v. 19. 8. 1998 - I-93/98 = 1 Ss 106/98 OWi; OLG Hamm, NZV 1998, 340 in einem ähnlich gelagerten Fall).
Zweifel in der Auslegung des Formularschreibens müssen dabei zu Lasten der Bußgeldstelle gehen. Bei Versendung des genannten Anhörungsschreibens hatte noch kein Abgleich des automatisch hergestellten Lichtbildes des Fahrzeugführers mit dem bei der Meldebehörde hinterlegten Paßbild des Betroffenen stattgefunden. Das Anschreiben stellte der Sache nach eine erste Anfrage beim Fahrzeughalter dar, wer zur Tatzeit mit seinem Fahrzeug gefahren sei. Ziel des Anschreibens war es, mit Hilfe des Fahrzeughalters einen Tatverdächtigen erst zu ermitteln. Insoweit wurde bei Anordnung der Bekanntgabe der Sache nach noch gegen
„Unbekannt“ ermittelt und eine Festlegung auf den Angeschriebenen als Betroffenen durch die gewählten Formulierungen bewußt vermieden. Die Bußgeldstelle benutzt - wie gerichtsbekannt ist - das hier in Rede stehende Formular auch für Kfz-Halteranfragen bei juristischen Personen, welche von vorn herein als Täter einer Verkehrsordnungswidrigkeit ausscheiden (vgl. dazu OLG Hamburg, Beschl. v. 19. 8. 1998 - I-93/98 = 1 Ss 106/98 OWi). Lediglich für den Fall eines - hier nicht abgelegten - Geständnisses hätte der Adressat dem Schreiben eindeutig entnehmen können, er werde künftig als Betroffener behandelt.
Wie der 1. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamburg (Beschl. v. 19. 8. 1998 - I-93/98 = 1 Ss 106/98 OWi) zutreffend dargelegt hat, führt deshalb auch die in der Kommentarliteratur (Rebmann/Roth/Hermann, OWiG, 2. Aufl., § 33 Rdnr. 17; Weller, in: KK-OWiG, § 33 Rdnrn. 23, 24) vertretene Auffassung, bei Identität von Halter und Fahrer reiche die Übersendung des Anhörungsbogens an den Fahrzeughalter zur Verjährungsunterbrechung aus, hier zu keinem anderen Ergebnis. Der 1. Senat für Bußgeldsachen hat dazu ausgeführt:
„Aus dem Zusammenhang der genannten Äußerungen folgt, dass sie unter der Voraussetzung gelten sollen, dass der Halter in dem Schreiben als Täter angesehen und ihm in dieser Eigenschaft rechtliches Gehör angeboten worden sein muß. Das ergibt sich im übrigen auch aus der bei Weller zitierten Entscheidung des OLG Hamm in MDR 1981, 607 = NStZ 1981, 225. Ihr lag ein Fall zugrunde, in dem mit der Übersendung des Anhörungsbogens ‚unzweifelhaft … der Betroffene als Fahrer und Täter der Ordnungswidrigkeit belangt werden sollte‘ und sich damit das Verfahren gegen eine bestimmte Person richtete. Der von den Kommentatoren ebenso in Bezug genommene Beschluß des OLG Köln (VRS 46, 378) befaßt sich mit der Frage, ob ein gegen den Betroffenen als Halter eines Fahrzeugs ergangener Bußgeldbescheid (!) geeignet ist, bei Tatidentität die Verjährung der Verfolgung des Verstoßes als eine dem Fahrer anzulastende Ordnungswidrigkeit zu unterbrechen. Mit der hier zu prüfenden Voraussetzung für eine Verjährungsunterbrechung nach § 33 Absatz 1 Nr. 1 OWiG hat sich die erwähnte Entscheidung nicht beschäftigt.
Das vorstehend Ausgeführte gilt entsprechend für den Beschluß des OLG Braunschweig … VRS 86, 137, 138 …). In ihm wird dargelegt, die Übersendung des Anhörungsbogens an den Halter unterbreche die Verjährung diesem gegenüber auch dann, wenn er erst später als Fahrer ermittelt werde. Der zum Beleg gebrachte Hinweis auf die Entscheidung des BayObLG, VRS 75, 218 macht aber deutlich, dass auch das OLG Braunschweig die Unterbrechung der Verjährung in dem gedachten Fall davon abhängig macht, dass die Bußgeldstelle unmißverständlich zu erkennen gegeben hat, dass sich der in dem Anhörungsbogen beschriebene Vorwurf gegen den Adressaten richtet und er der Tat verdächtig wird; denn u.a. nach diesen Voraussetzungen hat das BayObLG, aaO geprüft, ob Verfolgungsverjährung nach § 33 Absatz 1 Nr. 1 OWiG eintreten konnte.“
Dem tritt der erkennende Senat bei.
Die Kostenentscheidung beruht auf den § 71 Absatz 1 OWiG, § 467 Absatz 1 StPO. Weil das Verfahrenshindernis bereits vor Erlaß des Bußgeldbescheids eingetreten war, ist der Betroffene auch von seinen notwendigen Auslagen freizustellen (vgl. dazu Kleinknecht/ Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 467 Rdnr. 18).
Gewusst wie, spart Energie, Arbeit und Punkte :wink:
Ich hoffe ich konnte helfen. Was dennoch passieren
kann ist Fahrtenbuchauflage.
Beispiel:
Fahrtenbuchauflage auf Grund einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 27 km/h
StVZO § 31a
Eine unaufgeklärte Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 20 km/h ist als so gewichtig einzustufen, dass auch bei einem erstmaligen entsprechenden Verstoß die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuches nicht unverhältnismäßig. (Leitsatz RA GG)
VG Berlin, Urteil vom 28. 5. 1998 - VG 25 A 172.97
Zum Sachverhalt:
Die Klägerin ist Halterin des Pkw mit dem amtl. Kennzeichen . . ., dessen Fahrer am 4. 8. 1996 um 14.30 Uhr in Berlin auf der Bundesfernstraße 111 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h nach Abzug einer Meßtoleranz von 3 km/h um 27 km/h überschritt.
Mit Anhörungsbogen des Polizeipräsidenten in Berlin, Referat Verkehrsordnungswidrigkeiten, vom 22. 8. 1996 wurde die Klägerin für den Fall, dass sie die Ordnungswidrigkeit selbst nicht begangen habe, aufgefordert, neben den Angaben zur Sache auch die Personalien des Verantwortlichen zur Tatzeit mitzuteilen. Gleichzeitig wurde sie darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit der Auferlegung einer Fahrtenbuchführungspflicht im Falle der Nichtfeststellbarkeit des Tatzeitfahrers bestehe.
Mit Schreiben vom 10. 10. 1996 wies der Polizeipräsident darauf hin, dass einer Begründung - insbesondere einer Bekanntgabe des Fahrzeugführers zur Tatzeit - bis zum 25. 10. 1996 entgegengesehen werde, anderenfalls müsse mit der Anordnung eines Fahrtenbuches gerechnet werden. Mit Schreiben vom 25. 10. 1996 teilten die Bevollmächtigten der Klägerin nach durchgeführter Akteneinsicht mit, dass die Klägerin zur Tatzeit nicht Führerin des Kfz gewesen sei, da sie sich außerhalb von Berlin aufgehalten habe. Angaben zur Person, die zum Vorfallzeitpunkt ihren Pkw benutzt habe, könne und werde sie nicht machen. Das Ordnungswidrigkeitsverfahren wurde am 31. 10. 1996 eingestellt, weil der Tatbeweis nicht möglich sei. Mit Bescheid des Landeseinwohneramtes Berlin vom 21. 11. 1996 wurde der Klägerin für das gesamte Fahrzeug oder ein zu bestimmendes Ersatzfahrzeug für die Dauer eines Jahres ab Unanfechtbarkeit der Verfügung die Führung eines Fahrtenbuches auferlegt und durch Gebührenbescheid vom 22. 11. 1996 für die Anordnung eine Gebühr von 80 DM sowie 11 DM Zustellungskosten erhoben.
Ihr gegen beide Bescheide gerichteter Widerspruch wurde zurückgewiesen. Die daraufhin erhobene Klage blieb erfolglos.
Aus den Gründen:
… Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und die Klägerin daher nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Absatz 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Anordnung eines Fahrtenbuches ist § 31a StVZO. Danach kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 27 km/h ist nach ständiger Rechtsprechung der Berliner Verwaltungsgerichte ein Verkehrsverstoß, der grundsätzlich die Fahrtenbuchauflage rechtfertigt (vgl. z.B. OVG Berlin, Urt. v. 21. 11. 1995 - OVG 8 B 111.95, v. 12. 12. 1995 - OVG 8 B 125.95; v. 18. 6. 1996 - OVG 8 B 40.96; vgl. ferner BverwGE 98, 227 = NJW 1995, 2866 = NZV 1995, 460 = DAR 1995, 459 = StVE § 31a StVZO Nr. 42). Danach ist bereits eine erstmalige, unaufgeklärte Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 20 km/h generell als so gewichtig einzustufen, dass auch ohne zusätzliche Umstände die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs gerechtfertigt ist. Insbesondere ist entgegen der Ansicht der Klägerin hierbei völlig unerheblich, ob der Verkehrsverstoß auf einer dem regionalen oder überregionalen Straßennetz zugehörigen Straße begangen wurde. Soweit in der Rechtsprechung auf eine „innerorts“ begangene Geschwindigkeitsüberschreitung abgestellt wurde, dient diese Kennzeichnung nur der Darstellung, der besonderen Anforderungen der dort regelmäßig anzutreffenden hohen Verkehrsdichte. Auch diese besteht im Bundesfernstraßenbereich innerhalb Berlins zweifellos.
Grundsätzlich ist die vom Verordnungsgeber vorgenommene Bewertung des Verkehrsverstoßes auch für die Anordnung eines Fahrtenbuches als ausreichend gewichtig i.S. des § 31a StVZO anzusehen, wenn im BKat für einen Verkehrsverstoß eine Geldbuße von mindestens 80 DM vorgesehen ist, was gem. § 28 Nr. 3 StVG, § 13 Absatz 1 Nr. 1 StVZO, § 2 Absatz 1 Nr. 7 VwV zu § 15b StVZO zur Eintragung des Kraftfahrers in das Verkehrszentralregister mit wenigstens einem Punkt führt (vgl. BVerwG, aaO). Auch dies ist bei der mit dem Fahrzeug der Klägerin begangenen und erfaßten Geschwindigkeitsüberschreitung der Fall.
Dass die Geschwindigkeitsüberschreitung mit dem Fahrzeug der Klägerin erfolgte, ist nach der Überzeugung des Gerichts durch die durchgeführte und fotografisch dokumentierte Geschwindigkeitsmessung eindeutig belegt. Der Beklagte hat auch die Funktionsfähigkeit des verwandten Radargerätes durch Vorlage des Zulassungs- und Eichscheines nachgewiesen. Das unsubstantiierte Bestreiten der Klägerin läßt die getroffenen Feststellungen nicht zweifelhaft erscheinen.
Die Feststellung des Fahrzeugführers zur Tatzeit war der Behörde nicht möglich, denn die Klägerin hat durch ihre Mitteilung, Angaben zum Fahrer könne und werde sie nicht machen, eindeutig jede Mitwirkung verweigert.
Der Vorwurf der Klägerin, die Unmöglichkeit der Aufklärung der Tat sei auf ein Ermittlungsdefizit der Behörde zurückzuführen, da sie nicht nach den möglicherweise in Betracht kommenden Personen befragt worden sei, ist angesichts ihrer eindeutigen Mitteilung, sie könne und werde keine Angaben machen, abwegig. Im Hinblick auf diese unmißverständliche Äußerung war die Behörde nicht gehalten, weitere Anfragen an die Klägerin zu richten. Bei verständiger, auch der Klägerin zumutbarer Auslegung der Anfragen der Behörde, Angaben zum Tatzeitfahrer zu machen, war diese Aufforderung ohnehin auch nicht darauf beschränkt, nur bei eigener zuverlässiger Kenntnis der Tatperson, diese zu benennen. Bereits aufgrund der gestellten Anfragen war zu erwarten, dass die Klägerin alle Umstände mitteilt, die für eine weitere Aufklärung dienlich sein könnten.
Der Fahrzeughalter, der sein Fahrzeug Dritten überläßt - und diese bei der Fahrzeugnutzung nicht begleitet - kann regelmäßig nur die Umstände der Fahrzeugüberlassung mitteilen. Nur dies wird letztlich auch von ihm verlangt (vgl. OVG Berlin, Urt. v. 17. 6. 1997 - OVG B 8 5.97), wodurch der Behörde die Möglichkeit eröffnet wird, weitere Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen. Soweit der Halter selbst nicht Zeuge des Verkehrsverstoßes gewesen ist, kann und will er mit seinen Angaben folglich auch nicht behaupten, dass die von ihm genannte Person die Tat begangen habe, da er häufig selbst die Überlassung an eine weitere Person nicht ausschließen können wird. Entsprechend ist im Anhörungsbogen für die Eintragung der Personalien des Tatzeitfahrers vorgegeben: „Den Verstoß hat meines Wissens folgende Person begangen“. Durch die Eintragung der Personalien einer in Betracht kommenden Person wird diese auch nicht - unter Umständen falsch - beschuldigt, sondern der Behörde ermöglicht, weitere Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen.
Ausweislich der Begründungen der Bescheide hat der Beklagte auch zweifellos eine Ermessensentscheidung getroffen, die nicht zu beanstanden ist (§ 114 VwGO). Die Dauer der Fahrtenbuchauflage von einem Jahr wahrt angesichts der Schwere des Verkehrsverstoßes und im Hinblick auf die Verkehrsdichte in Berlin den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. z.B. OVG Berlin, Urt. v. 30. 6. 1992 - OVG 8 B 55.92 und v. 12. 12. 1995 - OVG 8 B 134.95). Ob und wie häufig die Klägerin ihr Fahrzeug Dritten überläßt, mußte der Beklagte hierbei nicht berücksichtigen. Dieser allein dem Einflußbereich und dem Entschluß der Klägerin unterliegende Umstand, der sich jederzeit ändern kann, ist nicht geeignet, die Erforderlichkeit der Anordnung in Frage zu stellen. …
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